Reorganisation einer Rechtsabteilung
Die Rechtsabteilung eines mittelständischen Versicherungsunternehmens soll reorganisiert werden. Auslöser war die Kritik anderer Abteilungen, die darüber hinaus Konflikte innerhalb der Rechtsabteilung verursachte. Die Ankündigung der Untersuchung lässt die Stimmung auf den Gefrierpunkt sinken. Neben einer Analyse der Geschäftsprozesse wird u.a. eine Mitarbeiter-Befragung der tangierten Abteilungen und der Rechtsabteilung für eine Analyse der Zusammenarbeit durchgeführt. Im Rahmen einer Teamentwicklung werden Zwischenresultate in Arbeitsgruppen gemeinsam reflektiert und Verbesserungsvorschläge entwickelt. Erste Verbesserungen werden als Quick-Wins unmittelbar umgesetzt. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Vorhabens gibt es einen internen Verantwortlichen, der künftig einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess mit den Mitarbeitern vorantreiben will.
Vor dem Start des eigentlichen Projekts wurden erste Interviews mit einzelnen Mitarbeitern der Rechtsabteilung und Mitarbeitern aus Schnittstellenbereichen geführt, sodass erste Hypothesen für nächste Schritte zur Verfügung standen. Für die Unterstützung bei der Projektdurchführung wurden außerdem zeitweilig zwei Mitarbeiter der Rechtsabteilung zur Verfügung gestellt. Durch die enge Einbindung der beiden Mitarbeiter und den damit einhergehenden Know-how-Transfer sollte eine nachhaltige Entwicklung auch nach Abschluss des Projekts sichergestellt werden.
Um eine möglichst gute Einbindung der Menschen und sozialen Systeme zu schaffen, war schnelles Handeln gefragt:
Aufgrund der angespannten Stimmung wurden zunächst alle Juristen und Servicekräfte schnellstmöglich zu einem gemeinsamen Kick-off eingeladen. Hier stellte der Leiter der Rechtsabteilung die Ziele der Untersuchung vor. Fragen wurden in einem Themenspeicher geführt und wenn möglich sofort beantwortet. So entstand trotz der angespannten Stimmung und großer emotionaler Aufgebrachtheit ein Austausch. Erste Befindlichkeiten wurden benannt und teilweise kontrovers diskutiert. Wesentliche Hypothesen aus den Interviews bestätigten sich bereits jetzt, und die Vorschläge zum Projektvorgehen wurden bei Teilen der Abteilung zumindest nicht abgelehnt. Die Stimmung war nicht gut – und doch besser als vor dem Workshop.
Stimmungsbild der Abteilung beim Kick-off-Workshop
Im weiteren Verlauf des Projekts wurden die folgenden Maßnahmen innerhalb von sechs Monaten umgesetzt:
- Eine Mitarbeiter-Befragung zwecks Analyse der Zusammenarbeit wurde durchgeführt, und zwar sowohl außerhalb als auch innerhalb der Rechtsabteilung. Hierdurch konnten das Selbst- und das Fremdbild der Abteilung miteinander verglichen, Schwachstellen identifiziert und Optimierungsmaßnahmen teilweise unmittelbar als Quick-Wins umgesetzt werden.
- Die Mitarbeiter-Befragung war gleichzeitig die Basis für eine gemeinsame Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren (SWOT-Analyse). Die Besonderheiten des Teams konnten so auf den Punkt gebracht werden. Die anschließende Priorisierung der Handlungsfelder brachte Orientierung. Zudem wirkte das gemeinsam erarbeitete Ergebnis identitätsstiftend.
- Die folgende Teamentwicklung verbesserte die Stimmung und steigerte die Motivation bei den Mitarbeitern. Spielregeln für die Zusammenarbeit im Team wurden neu vereinbart. Dies bezog sich beispielsweise auf eine veränderte Bedeutung der Servicekräfte mit der Ausrichtung „Entwicklung zur Assistenz des Juristen und weg von der reinen Registraturkraft”. Ziel war es, eine Aufgabenaufwertung und Effizienzsteigerung des Abteilungsteams zu erreichen.
- Bei regelmäßigen Workshops wurde über die Ergebnisse des Projekts informiert, sodass jeder Mitarbeiter der Abteilung den gleichen Informationsstand hatte. Befindlichkeiten, Ängste und Konflikte konnten thematisiert und letztendlich gelöst werden. Durch eine klare Positionierung der Abteilungsleitung bekamen die Mitarbeiter Orientierung und somit Sicherheit im Umgang mit der Kritik aus benachbarten Bereichen.
- Während des gesamten Projekts erfolgte für den Abteilungsleiter flankierend ein Coaching. Mit dieser Unterstützung konnte er seine Potenziale reflektieren, sein Repertoire als Führungskraft weiterentwickeln und schlussendlich gestärkt aus der Situation hervorgehen.
Um die Diskussion zu versachlichen, Stärken auszubauen und Schwächen zu reduzieren, spielten bei diesem Projekt Fakten ebenfalls eine wesentliche Rolle:
- Durch die Analyse der Geschäftsprozesse mit Fallzahlen, Durchlauf- und Bearbeitungszeiten wurde eine durchgängige Sicht auf sämtliche Aktivitäten verfügbar. Es erfolgte die Konzeption optimierter Soll-Arbeitsabläufe mit dem Ziel der Effizienzsteigerung.
- Die Geschäftsprozessanalyse war ebenfalls die Basis für ein Benchmarking mit vergleichbaren Unternehmen. Es zeigte sich, dass die Effizienz der Rechtsabteilung im Vergleich durchaus auf einem akzeptablen Niveau stand. Dies führte zu einer Versachlichung in der Diskussion mit anderen Abteilungen.
- Ein weiterer Nutzen dieser Ergebnisse bestand darin, dass nun die Fakten für eine Überprüfung von Outsourcing-Optionen vorhanden waren, beispielsweise die Auslagerung des gerichtlichen Mahnverfahrens und Folgeschritte an einen externen Dienstleister. Das Unternehmen kam zu dem Schluss, dass eine Verlagerung aktuell nicht in Frage kommt. Entscheidungskriterium war die höhere Rate an gewonnenen Prozessen, die von der Rechtsabteilung nachgewiesen werden konnte. Auch hier konnte den Kritikern der Wind aus den Segeln genommen werden.
- Kennzahlen wurden definiert und in einer monatlich aktualisierten Balanced Scorecard zusammengefasst. Mit diesen Fakten konnte der Leiter der Rechtsabteilung seine Abteilung steuern und im Bedarfsfall unverzüglich Gegenmaßnahmen einleiten.
- Durch Servicelevel-Vereinbarungen wurden Erwartungen der Abteilungen untereinander abgestimmt. Bei künftiger Kritik von anderen Abteilungen kann so objektiv geprüft werden, ob diese gerechtfertigt ist. Ein „Schwarzer-Peter-Spiel” über Abteilungsgrenzen hinaus kann so vermieden werden.
Nach Abschluss des Projekts stellte sich der Nutzen für die Rechtsabteilung wie folgt dar:
- Was mit der Kritik der anderen Abteilungen begonnen hatte und eine Krise auslöste, konnte konstruktiv genutzt werden. Die Rechtsabteilung war nach dem Projekt gestärkt. Die Mitarbeiter waren zufriedener und die Effizienz konnte gesteigert werden.
- Durch die systematische Sammlung der Fakten steht dem Leiter der Rechtsabteilung nun ein geeignetes Steuerungsinstrumentarium zur Verfügung, sodass künftig ungünstige Entwicklungen bereits frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können.
- Das Projekt wurde nach der Umsetzung der Maßnahmen in einen eigenverantwortlichen und kontinuierlichen Verbesserungsprozess überführt. Der „frische Wind” bleibt erhalten und nachhaltige Veränderung wird gefördert.